Der uckermärkische Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen (CDU) im Interview mit Redakteur Guido Berg (Nordkurier /Prenzlauer Zeitung) über die aktuelle Flüchtlingssituation, die Rolle Europas, das Burka-Tragen und die Frage, ob der Islam wirklich zu Deutschland gehört.

Herr Koeppen, im Parteienspektrum ging lange Zeit rechts der CDU nicht viel. Das hat sich geändert. Wann wird eigentlich aus konservativ rechtsextrem?

Ich verstehe die CDU als Partei der Mitte. Konservativ hat rein gar nichts mit Rechtsextremismus zu tun. Konservativ bedeutet für mich die Wahrung unserer Werte – dafür steht die CDU. Extreme stellen die Menschenwürde und unsere Verfassung in Frage. Übrigens sind die Konservativen in den meisten Fällen Motor des Fortschritts. Wir wollen das Gute bewahren und sind offen für das Neue.

Da ist ja Gedränge in der Mitte. Auch die SPD unter Gerhard Schröder wollte „Partei der Mitte“ sein…

Die CDU als Volkspartei ist natürlich auch Heimat für die politische Mitte. Ich habe deshalb die CDU als meine politische Heimat gewählt, weil wir ein ganz breites politisches Spektrum haben. Beispielsweise haben wir sowohl einen einflussreichen Arbeitnehmer- als auch einen starken Arbeitgeber-Flügel. Unsere Mitgliederschaft spiegelt die gesellschaftlichen Diskussionslinien wieder. Daher sprechen wir mit unserem Programm die Bevölkerung als Ganzes an und nicht nur eine bestimmte Klientel. Das ist auch der Grund für unsere starke Debattenkultur innerhalb der Partei.

Zur Flüchtlingsdebatte: Sind Sie ein „Wir-schaffen-das-Mann“ oder ein „Obergrenzen-Mann“? Merkel oder Bosbach?

Beides schließt sich nicht aus. Wir schaffen das. – Ja, ganz klar, wenn wir eine europäische Lösung finden und wenn wir in Deutschland nicht allein gelassen werden. Und nein, wir schaffen das nicht, wenn wir keine europäische Lösung finden und wenn der Flüchtlingsstrom nicht durch Beseitigung der Kriegsursachen in den Krisengebieten begrenzt werden kann. Obergrenzen gibt es nicht im Asylgesetz, auch nicht im Grundgesetz. Aber es gibt eine Obergrenze, die de facto da ist: Wenn die Landkreise und Kommunen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen können, ist die Obergrenze erreicht.

Meinen Sie, eine Begrenzung des Flüchtlingsstroms könnte durch das Signal erfolgen, dass wir Einwanderung nicht wollen?

Nein, ich meine, es muss deutlich gemacht werden, dass es einen Unterschied gibt zwischen Flüchtlingen und Asylsuchenden auf der einen Seite und Einwanderern auf der anderen Seite. Einwanderer verlassen ihr Heimatland, um ihre Lebenssituation, auch wirtschaftlich, zu verbessern. Flüchtlinge und Asylsuchende verlassen ihr Land aufgrund einer konkreten lebensbedrohenden Situation. Das heißt, Einwanderer können aufgenommen werden, Flüchtlinge müssen aufgenommen werden.

Einwanderung löst unser demografisches Problem…

Wir sind eine schrumpfende Gesellschaft. Einwanderung kann helfen, den demografischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu begegnen. Einwanderungspolitik ist aber keine Rosinenpickerei. Es werden nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte wie Ingenieure, Ärzte und IT-Spezialisten kommen. Und wir stehen im Wettbewerb mit anderen Ländern, denn nicht nur Deutschland steht vor immensen demografischen Herausforderungen. Die Hilfe für Flüchtlinge darf nicht mit einer Einwanderungspolitik verwechselt werden. Flüchtlinge müssen sich aus einer Gefahrenzone in Sicherheit bringen und haben das Recht, in anderen Ländern aufgenommen zu werden. Wenn die Terrorgefahr in Syrien vorbei ist, sollten die Menschen in ihre Heimat zurückkehren, um ihr Land wieder aufzubauen. Sie werden dort dringend gebraucht.

Wie sehen Sie die Bewältigung der Flüchtlingssituation in der Uckermark?

In der Uckermark und in Brandenburg haben wir noch nicht das Problem, wie wir es in dichtbevölkerten Bundesländern haben, wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein- Westfalen. Dort ist schon fast die Obergrenze erreicht. Es kamen in Deutschland an manchen Tagen bis zu 10 000 Asylbewerber an. In Brandenburg sind wir noch in der „komfortablen Situation“, dass wir nach dem Königssteiner Schlüssel etwas über drei Prozent der einreisenden Flüchtlinge aufnehmen. Die Situation ist noch vergleichsweise entspannt. Dennoch gibt es insbesondere in Prenzlau und Schwedt Herausforderungen. Zu einer guten Flüchtlingspolitik gehört auch, dass wir die Akzeptanz und das gesellschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl erhalten.

Befürchten Sie einen Stimmungsumschwung in Brandenburg zugunsten rechtsextremer Parteien?

Nein, das befürchte ich in Brandenburg nicht. Ich sehe keine gefährlichen rechtsextremen Tendenzen. Von ein paar Quartalsirren abgesehen, gegen die wir als gewachsene demokratische Gesellschaft aufbegehren müssen. Asyl und Hilfe ist ein Menschenrecht. Deutschland ist ein humanitäres, christlich geprägtes Land. Wir wollen und wir können helfen.

Wie sehen Sie die Partei „Alternative für Deutschland“?

Das Entstehen der AfD ist in gewisser Weise das Resultat des Versagens der etablierten Parteien, auf Sorgen und Ängste der Menschen zu reagieren. Aber mit Populismus kann man keine Probleme lösen. Die allermeisten Menschen, die einer AfD- oder einer Pegida-Fahne hinterherlaufen, sehe ich nicht als Gefahr an. Fakt bleibt aber, die Spitze von AfD und Pegida versucht, die Menschen über ihre Ängste für sich zu instrumentalisieren und schürt bewusst Hass und Unsicherheit. Dem müssen wir uns entschieden entgegen stellen. Wir müssen aber auch als etablierte Parteien besser und transparenter werden und unsere Politik besser erklären.

Wird es eine CDU-AfD-Koalition geben?

Ich schließe es für mich in der jetzigen Zeit mit dem derzeitigen Personal definitiv aus. Ich gehe auch nicht davon aus, dass diese Partei sich jemals zu einem Partner für die CDU entwickeln könnte. Ich möchte aber die Menschen für eine konstruktive Politik gewinnen, die gegenwärtig leider der AfD hinterherlaufen. Wir haben in der Vergangenheit unsere Positionen und Entscheidungen zu wenig erklärt. Offenbar gibt es derzeit viele Menschen, die sich mit ihren Ängsten und Sorgen allein gelassen fühlen. Die AfD löst aber kein einziges Problem sondern schafft mit ihren Ressentiments und Vorurteilen nur neue. So eine klare Abgrenzung erwarte ich auch in der Uckermark von der SPD und FDP, die in der Regionalen Planungsgemeinschaft eine Fraktionsgemeinschaft mit der AfD gebildet haben.

Wie ist es mit der deutschen Nation bestellt? Schafft sie sich ab?

Deutschland schafft sich nicht ab. Wir haben ein hervorragendes Wirtschaftswachstum, die geringste Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten und werden international anerkannt und geachtet. Es wird in Europa immer ein Deutschland geben, wie es auch ein Frankreich und ein Polen gibt. Wir finden uns als Deutschland mit unseren Bundesländern in dem großen Gebilde Europa wieder.

Ein Europa der Nationen?

Ein Europa der Nationen und Regionen und kein Staatenbund, wie es die Vereinigten Staaten von Amerika sind. Aber mit tiefer europäischer Solidarität, die mir zur Zeit etwas fehlt. Beim puren Ausleben nationalstaatlicher Interessen müssen wir aufpassen, dass uns Europa nicht um die Ohren fliegt.

Welche Rolle sollten die Medien jetzt einnehmen?

Ich würde mir wünschen, dass die Medien verschiedene Themen, übrigens auch die Politik, besser erklären und nicht nur nach Auflage gehen. Beim Flüchtlingsthema wäre es wichtig, den Unterschied zwischen Einwanderern und Flüchtlingen deutlich zu machen. Wichtig ist auch zu erklären, warum wir verpflichtet sind, Flüchtlinge aufzunehmen.

Ist in der Vermittlung von Politik konkret etwas schief gelaufen?

Wir sollten aufhören, uns in die eigene Tasche zu schwindeln, wenn wir sagen, der Islam gehört zu Deutschland. Wir haben Religionsfreiheit. Jeder kann laut Grundgesetz seine Religion frei ausüben. Doch wir sind ein christlich geprägtes Land, und der Islam gehört weder historisch noch kulturell zu Deutschland, genau wie der Buddhismus nicht zu Deutschland gehört oder der Hinduismus. Aber zu Deutschland gehört selbstverständlich, dass die Menschen ihre Religion hier frei ausüben können.

Aber Herr Koeppen, unser Grundgesetz erwähnt nicht, dass wir ein christlich geprägtes Land sind.

Das sind wir aber. Das Grundgesetz beginnt mit den Worten: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…“. Richtig ist, wir sind ein säkulares, das heißt, ein nicht nach einer Religion geführtes Land. Das bedeutet, Muslime sind willkommen – deshalb gehört aber der Islam nicht zu Deutschland.

„Der Islam gehört zu Deutschland“ ist ein Satz, ausgesprochen von einem CDU-Bundespräsidenten…

…und diesen Satz trage ich ausgesprochen nicht mit, weil so etwas die Leute verunsichert. In unserer Leitkultur gibt es eben keine Burka. Wer sich integrieren möchte, kann hier keine Burka tragen, denn sie passt nicht zu unserer offenen Gesellschaft.

Nun haben wir ja nicht das gesellschaftliche Großproblem des Burka-Tragens…

…sicherlich nicht in der Uckermark, aber das kann in europäischen Großstädten anders sein. Die Akzeptanz für das Burka-Tragen ist in unserer Gesellschaft nicht vorhanden.

Müssen wir den Menschen nicht erklären, dass Deutschland bunter wird?

Richtig. Wir brauchen eine bunte Republik Deutschland aus der Vielfalt der Menschen. Das verteidige ich auch! Für die Burka als Zeichen des religiösen Fanatismus und der Unterdrückung der Frau will ich jedoch auf gar keinen Fall werben. Wir müssen den Spagat hinkriegen zwischen Bereicherung durch Zuwanderung und Bewahrung unserer Kultur.

Quelle: Nordkurier / Prenzlauer Zeitung, 18.12.2015